Simon & Sebastian Schels / PK Odessa, München

Preisträger max40 – Junge Architektinnen und Architekten 2016

Fabian A. Wagner, Andreas Kreft – Bar Gamsei, München

München

Simon & Sebastian Schels / PK Odessa, München

Fabian A. Wagner, Andreas Kreft – Bar Gamsei, München

München
Projekt
Bar Gamsei
Architekt
BUERO WAGNER, Herrsching am Ammersee & STUDIO_KREFT, München
Bauherr
Trink Tank / M. Bax

Die etwas andere Bar
Sex on the Beach, Cosmopolitan, White Russian: Eine Cocktailbar wird normalerweise an der Qualität der Klassiker gemessen, aber diejenigen, die hofften, den Test bei Gamsei durchführen zu können, mussten entweder weiterziehen oder herausfinden, woraus ein „Lavender Drunk Bee“ gemacht wird. Als Matthew Bax das Gamsei in Münchens Szeneviertel Glockenbach eröffnete, führte er den „Hyper-Lokalismus“ in ein Tätigkeitsfeld ein, das bis dahin hauptsächlich der Gastronomie vorbehalten war. Bei Gamsei wurden alle Zutaten für Cocktails wie „Lavender Drunk Bee“ und „Frühlingserwachen“ entweder frisch gepflückt oder von kleinen Bauern aus der Region angebaut; dadurch wurde eine Verbindung zu lokalen Produkten, der Region und der Kultur wieder hergestellt – und etwas noch nicht Dagewesenes angeboten. Gamsei war quasi ein Gegenpol zur Globalisierung der Cocktailbars; warum soll man überall auf der Welt in jeder Bar den gleichen Cocktail trinken?

Der Entwurf von Fabian A. Wagner und Andreas Kreft ist eine klare Fortsetzung dieses Konzepts. Durch zwei sich gegenüberliegende tribünenartige Sitzbänke wurde die gewöhnliche Trennung zwischen Barkeeper und Gast aufgehoben; hier spielte Interaktion die Schlüsselrolle, jeder Gast hatte einen Sitzplatz in der ersten Reihe: Von jeder Tribüne aus konnte man auf die beiden zentral positionierten Barelemente schauen und zusehen, wie Bax und sein Team die Zutaten für ihre Cocktails mixten, schüttelten und rührten. Auch die Barelemente wurden von allen Barrieren befreit – sie sind zu beiden Seiten hin offen, Arbeitsfläche und Theke sind eins. Ein Einbauschrank, der sich über die gesamte Länge der Rückwand erstreckt, diente zur Lagerung und zum Display getrockneter Blüten, Kräuter und Blätter. Neben Zutaten waren auch die Kaffeemaschine und die Zugänge zum WC und Labor in dem Schrank integriert. Die Tribünen, Barelemente und der Einbauschrank wurden aus Eiche hergestellt und lediglich geölt, um das Material in seiner natürlichen Beschaffenheit zu belassen. Von an der Decke befestigten Baustahlmatten hingen Keramikflaschen, in denen selbstgebrannte Liköre, Sirupe und Essige lagern. Wie Bax die Zutaten hat auch Buero Wagner alle Materialien, wie Holz, Keramik und Stahl regional bezogen und in enger Zusammenarbeit mit lokal ansässigen Handwerkern und Herstellern maßgefertigte Lösungen entwickelt. Gamsei war ein gänzlich integriertes Konzept, das das Trinken eines Cocktails zu einer neuartigen Erfahrung machte.

Preisträger

max40 – Junge Architektinnen und Architekten 2016 – Preisträger

Auch wenn die kleine Cocktailbar Gamsei mit ihrer besonderen Philosophie der Verarbeitung von Naturprodukten nur zwei Jahre im Glockenbachviertel in München existieren konnte, so haben die Architekten Fabian Wagner und Andreas Kreft im Jahr 2013 mit ihrer Innenraumarchitektur doch einen ganz besonderen Ort geschaffen, den die Jury des BDA mit einem Preis auszeichnen möchte. Die Cocktailbar überzeugt neben ihren guten Details und sauberen Fügungen mit einer konsequenten Integration unterschiedlicher Funktionen in ein Gestaltkonzept. Die Atmosphäre des Raumes mit seiner ungewöhnlichen Nutzungsidee ist geprägt von einer klaren Linienführung, Ordnung und Reduktion auf das Wesentliche, ohne dabei monoton oder steril zu wirken. Vielleicht haben beim Einsatz des regionalen Eichenholzes Analogien zur Tradition bayrischer Wirtshäuser durchaus eine Rolle gespielt. Nachvollziehbar wurde handwerkliches Können genutzt und in eine moderne, eigenständige und innovative Sprache übersetzt, die der Aufgabe einer Bar gerecht wird und dem Raum seine besondere Atmosphäre verleiht. Die selbsthergestellten Produkte der Cocktailbar werden dabei optimal in Szene gesetzt. Hier „hängt der Himmel nicht voller Geigen“, aber die Decke voller weißer Keramikflaschen mit den selbst hergestellten Likören und Essenzen. Sowohl im Zusammenspiel der Materialien als auch in der hochwertigen Verarbeitung werden die subtile Gesamtkonzeption und eine sorgfältige Planung erkennbar und geben dem Ort seinen unverwechselbaren Charakter.
(Für die Jury: Andrea Wandel)